Über mich

So wurde ich, was ich bin
Diese Über-mich-Seite ist ein wenig anders.
Ich bin der Meinung: Künstlerinnen und Künstler dürfen ruhig etwas persönlicher werden. Nur so sind ihre Arbeiten zu verstehen. Denn der künstlerische Ausdruck hat für mein Empfinden immer etwas mit der eigenen Historie zu tun.
Wenn du nicht lesen magst, steigst du hier einfach aus.
Mit der Zeichnung dem Alltag entfliehen
Seit ich denken kann, habe ich gezeichnet…
Klingt abgedroschen – ich weiß.
Als Vierjährige hab ich mit dem Stock Linien in den Sand gezogen.
Keine Schulstunde, ohne einen Grafitstift in der Hand zu haben.
„Multitasking“ schon damals: Im für mich viel zu langweiligen Unterricht konnte ich mit meinen Zeichnungen in andere Welten abtauchen. Und alles begann mit Pferden:
Pferde von der Seite, Pferde von vorn, Pferde im Halbprofil, laufende Pferde, springende Pferde, Pferdeportraits… Diese wunderschönen Tiere fand ich einfach faszinierend. Schon als kleines Mädchen bin ich zum nahe gelegenen „Gnadenhof“ gelaufen, um dort die Pferde zu beobachten.

Graphit auf Papier
Vom Pferd zum Dosenöffner
Später, so mit 14 oder 15, fand ich andere Motive interessant.
Ich blieb bei Graphit und Kohle und hab nun Stillleben gezeichnet. Meist Alltagsgegenstände.

Gewischte Kohle auf Papier
Meine nächsten Objekte: Fotografien

Graphit auf Papier
Die Motive in dem Buch waren dokumentarische Aufnahmen von Fotografen und Fotojournalisten. Viele Bilder waren gesellschaftskritisch, stammten aus Krisenregionen; manche Abbildungen stellten mahnende Fragen. Solche Fotografien haben mich schon damals begeistert.
Ich hab die Fotos als Training gesehen: Gesichter, Blicke, Körperhaltungen, vor allem Faltenwürfe konnte ich so in Ruhe üben. In dieser Zeit hab ich mich immer mehr auf Fotorealismus konzentriert – auch in meinen Stillleben. Heute würde ich das Abzeichnen von Fotografien nicht empfehlen: Man fährt sich schnell fest. Es ist „einfach“, von einem zweidimensionalen Objekt (das Foto) auf eine weitere zweidimensionale Ebene (die Zeichnung) zu übertragen. Viel herausfordernder ist es, ein dreidimensionales Objekt zu zeichnen. Beim realen Objekt sind viele zusätzliche Faktoren mit in die Zeichnung einzubeziehen: die Raumperspektive, die Luftperspektive, die unterschiedlichen Lichtverhältnisse, die Größenunterschiede und so weiter.
Mir fehlte damals ein Mentor. Ein Mensch, der mir half, dass ich künstlerisch auf eine Spur komme.
Erste Weichen: Irgendwas mit Kunst
Ich erinnere mich an eine Stunde, als hätte ich sie erst letzte Woche erlebt: Zu der Zeit war der Impressionismus unser Lehrstoff. Vom Impressionismus war ich damals so begeistert, daß ich sogar ein Referat darüber gehalten hab. Ausgerechnet ich mit meiner Schüchternheit. Unsere praktische Aufgabe: ein Bild im Stil des Pointillismus zu malen. Die meisten MitschülerInnen stöhnten gelangweilt. Wozu sollten wir ein Bild aus Punkten malen? Ich fand die Aufgabe cool. Begeistert hab ich Pünktchen für Pünktchen aufs Papier getippt und eine sommerliche Landschaft gezaubert.
Frau Hinzpeter rief mich mit der Arbeit nach vorn, hielt meine Arbeit hoch und sagte allen, dass diese Arbeit beispielhaft sei und eine „1 plus“ sei.
Ich wäre am liebsten in den Boden versunken. Künstlerisch kam ich mit so einer Aussage nicht vorwärts.
Irgendwann sollten die beruflichen Weichen gestellt werden.
Also ab zum Arbeitsamt. Ich hatte keine Ahnung. Ich wußte nur eins: irgendwas mit Kunst.

Grafit auf Papier
Kunst? Sowas brotloses...

Graphit auf Papier
Dem Sachbearbeiter vom Arbeitsamt sagte ich nur:
„Ich möchte irgendwas mit Kunst machen“.
Seine Antwort: „So was brotloses? Wie wollen sie denn damit ihr Geld verdienen?“
Ich hab mich gefühlt wie betäubt.
Hilflos.
Leer.
Berufsberatung in einer provinziellen, spießbürgerlichen Beamten- und Soldaten-Kleinstadt. So war Lüneburg damals.
Heinrich Heine: Du hattest ja so recht!
Wer jetzt fragt: Constanze, davon hast du dich einschüchtern lassen? Ja.
Hab ich.
Wer immer wieder ohne Vorwarnung zu Boden knallt oder Tassen um sich schmeißt – ich bin Epileptikerin – wer die Scheidung der Eltern als Trauma erlebt – die wird solche Aussagen nicht so leicht wegstecken.

Lavierte Kohle auf Pappe
Abendoberschule war cool.
Bis 22 Uhr Schule, dann ab ins Voodoo, tanzen, bis die knallenge Lederhose an den Beinen klebte.
So kam ich mehrmals die Woche erst morgens oder spät nachts ins Bett. Eine irre Zeit.
Wer dies liest und ebenfalls Epileptiker ist: Mach es nicht! Durchgemachte Nächte, unregelmäßige Zeiten – eine Katastrophe für jeden Epileptiker. Anfälle sind vorprogrammiert.
Das war die Zeit, in der ich Musik kennenlernte, die mich und mein Verständnis von Kunst geprägt hat. Genesis, Jethro Tull, Yes, Pink Floyd, Herbie Man, Doors, Eagles, Fleedwood Mac, Queen, The Kings, Supertramp und wie sie alle heißen.


Ich hab damals geahnt, dass ich keine Kraft haben würde, alle Widerstände zu überwinden, um meinen künstlerischen Weg zu gehen.
Kunstpädagogik? Lehrerin? Ich soll vor vielen Menschen stehen? Mit meiner Schüchternheit? Und wenn ich Anfälle hab?
Irgendwie nicht mein Ding.
Freie Kunst? Selbständig von Aufträgen leben? Und nebenbei einen Job haben, weil sich kaum jemand von freier Kunst allein ernähren kann? Wie soll ich das packen?
Das war für mich noch weniger vorstellbar.
Ich mach‘s kurz: Höhere Handelsschule, Jobs, Abendoberschule.
Endlich Abitur.

Und die Plattencover. Die haben mich zu meinem nächsten Berufswunsch inspiriert: Illustration.
Zwei Cover haben mich besonders fasziniert:
- „Yessongs“ von der Gruppe Yes
- „A Trick of the Tail“ von Genesis.

Lavierte Kohle auf Pappe
Für gute Cover braucht man Leute, die zeichnen können. Super: Das war „irgendwas mit Kunst“ und trotzdem könnte man damit Geld verdienen.
Okay, dass die Platten wenige Jahre später ausgestorben sein würden – das konnte ich nicht ahnen.
Ich kürze wieder ab: Von drei Mappeneinreichungen auf Hochschulen für Gestaltung wurde eine angenommen. Den 2. Teil der Prüfung, den Praxistest vor Ort, hab ich knapp nicht bestanden. Nach einer anstrengenden Nacht – ich konnte vor Aufregung natürlich nicht schlafen – war ich am nächsten Morgen fix und fertig. Konzentriertes, kreatives Arbeiten war nicht möglich. Und ein anschließender Härtefallantrag hat nichts gebracht.
Erst später hab ich gelernt: Ohne eine vorherige Mappenberatung haben Bewerber schlechte Karten.
Heute würde ich alles anders angehen. Viele Jahre später war mir noch etwas klar:
Ein Studium brauchst du nicht! Ein Studium beschleunigt einiges und wichtige Kontakte können geebnet werden. Aber es ist für eine illustrative Karriere nicht notwendig. Gehe deinen Weg, zeichne, bis der Arzt kommt, nimm dir konkrete Themen vor und arbeite die aus. Außerdem: Heute gibt es das Internet und tausend Möglichkeiten der Inspiration.
Inzwischen lebte ich in Hamburg.
Obwohl ich von der Stadt beeindruckt war, von dem quirligen Leben – so ganz anders als das langweilige Lüneburg: Ich hab auch eine ziemliche Kälte gespürt. Und ich fühlte mich verloren. Manchmal hatte ich eine beklemmende Angst vor Menschen.
Oft war mein einziger Trost meine Katze Curie. Darum sind in dieser Zeit sehr viele Zeichnungen von ihr entstanden.

Lavierte Kohle auf Pappe
Von der Grafitzeichnerin zur Lichtzeichnerin
Wieder zum Arbeitsamt.
Der hamburger Berufsberater war diesmal super.
„Frau Straub, Sie denken zu viel!“
Das erste Mal, dass mir das jemand gesagt hat.
Und es stimmte. Ich war permanent in meinem Kopfkino gefangen.
Ich hab es nur nie erkannt.
Dieser Berufsberater war für den Bereich „Wiedereingliederung“ zuständig. Ich hab mich nie als „Behinderte“ gesehen, hab auch nie einen Antrag gestellt auf einen Behindertenausweis. Denn vom Spukgespenst Epilepsie habe ich oft monatelang nichts gemerkt…
Der Berater hat mir einen Platz im APH besorgt. Das Ausbildungszentrum des Photografenhandwerks.
Wahrscheinlich hätte jeder an meiner Stelle getanzt vor Freude. Denn die Ausbildungslehrgänge dort waren ziemlich priviligiert.
Ich aber war skeptisch. Mit Technik wollte ich ja eigentlich nix zu tun haben…
Kurz: Ich wurde Fotografin.
Nach der Ausbildung: Anstellungen in klassischen Porträtstudios. Und das war genau DAS, wie ich mir spannende Fotografie bestimmt nicht vorgestellt hatte: kitschige, klischeegeladene Hochzeitsfotos, Familien mit gequälten Grinsen oder langweilige Porträts. Porträtstudios waren also schon mal abgehakt.

Fineliner auf Papier
01110100101111 – ab in die digitale Welt

Graphit auf Papier
Und was gab‘s noch? Werbefotografie war mir zu cool, zu verlogen.
Sollte ich mich als Fotodesignerin selbstständig machen? Wie denn, ohne Führerschein? Als selbstständige Fotografin muss man flexibel sein.
Also wieder arbeitslos.
Die ersten Computer kamen in die Stuben.
Und revolutionierten den Arbeitsmarkt.
Ich hatte noch immer den Traum, Gestaltung zu lernen.
Eines Tages flog mir eine winzige Anzeige in einem Wochenblatt entgegen.
„Möchtest du gestalten?
Möchtest du Photoshop lernen?“
So oder ähnlich. Eine Anzeige einer privaten Designschule.
Ich kürze ab:
Die Bewerbung ging durch, ich wurde genommen.
Ich wurde Grafikerin.
Und was ist mit Kunst?
Nach der Schule: Wieder Bewerbungsmarathon. Es folgten Anstellungen in Werbeagenturen, zuletzt in einer kleinen Agentur im Süden Hamburgs.
Im Dezember 1999 kam die Kündigung. Die Agenturinhaber wollten die Agentur auflösen, die beiden Geschäftsführer gingen getrennte Wege.
Der Schnelldurchlauf:
Arbeitsamt, Orientierungskurs, Assessmentcenter, Unternehmenscoaching.
Mein Plan: als Grafikdesignerin selbstständig machen.
Als Freiberufler könnte ich arbeiten, wann ich wollte. Und wenn es mir mal nicht so gut ging, hätte ich die Arbeit später nachholen können. Keiner würde drängen.
Denn eines meiner größten Probleme war damals die permanente Müdigkeit. Längere Konzentration fiel mir schwer. Die Nebenwirkungen der damaligen Medikamente.

Lavierte Kohle auf Papier
DIE Wende

Acryl mit Papiercollage auf Leinwand
Meine Arbeit als Grafikerin machte mir richtig Spaß. Bis heute arbeite ich als freiberufliche Grafik- und Webdesignerin.
Aber wahrscheinlich wäre mir auch die selbstständige Tätigkeit schwerer gefallen, wenn ich nicht zeitgleich zu meiner Selbstständigkeit die eigentliche Wende meines Lebens erfahren hätte: eine Medikamentenumstellung 2003.
Mein Arzt hatte mir ein neues Medikament vorgestellt: Ein Wirkstoff aus der Komatherapie. Durch Zufall erkannte man, dass dieser Wirkstoff epileptische Anfälle verhindert – ohne die Nebenwirkung permanenter Müdigkeit, wie sie bei anderen Medikamenten vorhanden ist.
Das Ergebnis der Umstellung hatte Auswirkungen, die ich in meinen Worten kaum beschreiben kann.
Ein dunkles, schweres Tuch, das jahrelang über meinem Kopf hing, war wie durch Zauberhand plötzlich verschwunden.
Ich hab wieder gesehen, gefühlt, gehört.
Meine Sinne waren wie durch ein Wunder zehnfach geschärft.
Plötzlich fühlte ich mich wach und lebendig. Ich hatte wieder die Kraft und Energie wie in meiner frühen Jugend.
Gehversuche ohne Kopftuch
Jetzt wollte ich unbedingt wieder malen.
Diesmal „richtig“.
Viel Erfahrung hatte ich nicht. Zwar hatte ich damals, 1989, ein paar Versuche gemacht, kleine Formate mit Acryl. Damit hatte ich eine Ausstellung gemacht. Dann aber war wieder Pause.
Jetzt wollte ich es wissen.
Ich hab mir eine Atelierstaffelei und jede Menge Acrylfarben gekauft und fand mich regelmäßig bei Boesner und Co. wieder.
Meine Lieblingsfarbe damals: rot. Es entstanden einige mehr oder wenige abstrakte Arbeiten in fleischigen Tönen. So ist eine Serie in Rottönen entstanden, wie das oben (Che).
Zwischendurch immer mal wieder ein paar naturalistische Ausflüge mit dem Zeichenstift. Irgendwie hatte mich zu der Zeit Horst Janssen fasziniert. Vor allem seine farbkräftigen Blumenstillleben. Die so ganz anders waren, denn er zeichnete die Blüten nicht in ihrer frischen Pracht, sondern wenn sie schon ihre schönsten Tage in der Vase hinter sich hatten.
Von den naturgetreuen Zeichnungen wie Stillleben, Portraits, Konzert- und Caféskizzen hab ich mich mittlerweile komplett entfernt. Inzwischen zeichne ich nur noch abstrakte Linien.

Farbstift auf Papier
Das Unsichtbare sichtbar machen

Gipsputz, Marmormehl, Pigmente auf Malerpappe
Mein Blick auf die Welt hatte sich künstlerisch geändert. Ich wollte das zeigen, was NICHT zu sehen ist. Was unter der Oberfläche verborgen bleibt.
Ich wollte zum „Erspüren“ anregen.
Ich wußte aber auch, dass nichts aus einem selbst kommt. Wer das versucht, bleibt von vornherein stecken.
Ich hab mich inspirieren lassen von anderen Künstlern und Künstlerinnen, in Ausstellungen, aus Büchern, in Kursen.
Inzwischen gab es das Internet. Die Onlinekurse waren eine super Sache, um Materialien und Anwendungen kennenzulernen. Und immer mehr gute Künstler hatten eigene Websites, auf denen sie ihre Arbeiten zeigen. Eine reichhaltige Inspirationsquelle für alle, die noch am Suchen waren oder sich weiterentwickeln wollten.
Irgendwie verschwand die Farbe mehr und mehr von meiner Palette. Ich hab Naturtöne, organische Materialien und Erden für mich entdeckt.
Und andere Werkzeuge als Pinsel: Spachtel, Rakel, Schwämme, Plastikkarten. So ist eine ganze Reihe an Bildern mit Erden, Sande und Asche entstanden.
Zwischendurch immer mal wieder einige Experimente mit dem Strich. Striche faszinierenden mich einfach nach wie vor. Ein Experiment: Lacktropfen auf Aquarellpapier.
Mittlerweile ist der Zeichenstift zu mir zurückgekehrt. Diesmal sind es abstrakte Zeichnungen mit Finelinern auf Fotopapier in kleinen Formaten. Aus einer spontanen Idee ist eine Serie aus über 200 Bildern entstanden. Wer weiß – vielleicht wird daraus eine Installation.

Lackfarbe auf Aquarellpapier
Die nächste Ausstellung: April 2023
Weitere Zeichnungen findest du demnächst in Schneverdingen: Am 1. April 2023 wird die Ausstellung „Blumen und Vögel“ eröffnet.
In der Ausstellung präsentiere ich die Serie „Octopus’s Garden“: Zeichnungen mit Finelinern auf Fotopapier in kleinen Formaten.
Aus der Einladungskarte: „Die Blume erweist sich als größerer Pionier eines neuen Verhältnisses zwischen Mensch und Seele als
wir ahnen. Es gehen unvorstellbare Wirkungen von Gärten und Blumen aus.“ Karl Foerster.
Dietlind Horstmann-Köpper hat die Künstlerinnen Ina Abuschenko-Matwejewa, Constanze Straub, Ludmilla Schalthoff und Tanja Langer eingeladen, sich diesem Thema mit ihr gemeinsam künstlerisch zu widmen. Zur Eröffnung liest die Schriftstellerin Tanja Langer.
Die Ausstellung ist während der Öffnungszeiten der KulturStellmacherei und nach telefonischer Vereinbarung unter Tel. 0171 6174073 bis zum 1. Mai zu besichtigen.